Im März ist der erste und einzige Präsident Kasachstans – Nursultan Nazarbajev – beinahe achtzigjährig zurückgetreten um seinem Nachfolger Platz zu machen und im Hintergrund weiterhin die Fäden zu ziehen, bis seine Tochter die Regierungsgeschäfte übernehmen kann. Zu seinen Ehren wurde die Hauptstadt von Astana (was einfach nur „Hauptstadt“ bedeutet) in Nursultan umbenannt.
Für uns war Kasachstan zu Beginn unserer Reise nur ein riesiges Land, das wir auf der Ostseite durchqueren müssen um über Russland in die Mongolei zu gelangen. Mit fortschreitender Reise und Lektüre war aber schnell klar, dass wir auch hier nicht einfach nur durchfahren werden, auch wenn die über 1000 Kilometer so schon ziemlich viel Zeit beanspruchten. Ganz zu schweigen von der Geschwindigkeit, die die Straßenverhältnisse verlangten. Wir sind ja aus den restlichen ´Stans schon einiges gewöhnt, aber Überlandfahrten in Kasachstan brachten uns des öfteren wieder zum Fluchen. Man nimmt sich vor, niemals mehr über die Straßen zuhause zu schimpfen, wenn eine Straße, die als Autobahn in der Karte verzeichnet ist, einfach nur aus Schlaglöchern, gesenktem Asphalt mit extremen Spur-und Querrillen und nur eineinhalb noch „asphaltierten“ Spuren besteht. Und wenn ich das so niederschreibe, klingt es immer noch nicht so kräftezehrend, wie es sich anfühlt, wenn man stundenlang über weites Land holpert. Ganz zu schweigen von Wolfi, der als Fahrer auch noch mit großer Anstrengung das Lenkrad „gerade“ halten und den ärgsten Löchern ausweichen musste…
Nun, das was wir aber abseits der Straßen gesehen haben, hat uns dann doch gefallen!
Wir kamen aus Kirgistan und steuerten direkt auf Almaty zu. Zuvor machten wir aber noch einen Abstecher zu einem Gebiet mit Petroglyphen. In Kasachstan gibt es scheinbar über 5000 Plätze, an denen die Menschen einst Steinzeichnungen hinterließen. Diese von Tamgaly, waren mit einer kleinen Wanderung zu besichtigen. Sogar Erik marschierte tapfer von Stein zu Stein, auch wenn er bald zu jammern anfing. Mit ein bisschen Steinchen sammeln und werfen, schafften wir es aber bis zum Schluss. Am Parkplatz sprach uns dann ein junges Paar aus Almaty an, die in Österreich studiert hatten und sehr erfreut waren, Reisende aus Österreich in Kasachstan zu treffen. Wir waren nicht weniger erfreut, tauschten Nummern aus und verabredeten uns in Almaty zum Essen. Es hat uns außerordentlich gut gefallen, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen, die ihr Land mögen aber auch kritisch sehen und uns einen sehr interessannten Einblick gewährten.
Außerdem machten wir in Almaty dann wieder einen kleinen Sightseeing – Spaziergang und fuhren mit der Gondelbahn auf den Hügel KökTöbe. Die Fahrt war schön und hat vor allem Erik sehr gut gefallen, aber was uns oben erwartete, ließ und schnellstmöglich die Flucht ergreifen. Überall Souveniergeschäfte mit schrecklichem Kram, Attraktionen für Kinder, die Lärm machen, Geld kosten und auch Erik wie Rattenfänger in ihren Bann zogen. Vielleicht waren wir gemein, dass wir ihn nirgends fahren ließen, aber uns sträubten sich alle Nackenhaare bei diesem Konsumscheiß, wir wollten zu einem normalen Spielplatz! Den fanden wir dann auch im Panfilov Park, wo es außerdem ein wirklich mächtiges Weltkriegs-Denkmal gibt, das uns echt den Atem raubte.
In Almaty besuchten wir dann auch zwei Shopping Malls und vor allem große Supermärkte. Der „Interfood“ Supermarkt wird großteils von Rewe/Edeka beliefert und wir fanden viele Produkte (in original deutscher Verpackung) wie daheim, allerdings oft zu einem sogar höheren Preis. Ausgehungert nach sechs Monaten ohne heimische Speisen, gönnten wir uns dennoch ein paar Dinge. Salami, Naturjoghurt (ja, man glaubt es kaum…), Feta und Grillwürste kamen somit kurzfristig wieder auf unseren Speiseplan. Wunderbar!
Oberhalb von Almaty befindet sich das legendäre Open-Air-Eislaufstadion „Medeo“ in dem früher unzählige Weltrekorde aufgestellt wurden. Das war unser nächstes Ziel, bevor wir dann zwei schöne, ruhige Tage im Turgen-Tal am Bergbach verbrachten und wieder einmal mit dem Motorrad durch die Gegend flitzten 😎.
Unsere Fahrt führte uns danach zu einer richtigen Touristenattraktion – dem Sharyn Canyon. Hier bieten sich wirklich spektakuläre Aussichten und wir kraxelten ein wenig herum, auch wenn der Wind so stark blies, dass man auf stark exponierten Stellen richtig aufpassen musste, dass einem keine Böe vom Felsen blies!
Eine weitere Attraktion erlebten wir mit der Singenden Sanddüne im Altyn Emel Nationalpark. Wir stapften ein Stückchen nach oben und rutschten dann an der steilen Seite nach unten. Die Bewegung des Sandes ließ den Boden vibrieren und gab ein tiefes Brummen frei. Sehr besonders! Wir rutschten noch ein zweites Mal und setzten uns dann in den Sand um mit Erik und seinem Sandspielzeug zu spielen. Allerdings blies auch hier der Wind so stark, dass wir ein kleines Peeling abbekamen und am Ende den Sand wohl überall hatten. Dennoch versäumten wir, wenigstens Erik auszuziehen bevor wir ins Mobil stiegen und so entleere er seine Hosentaschen schließlich auf unserem Bett…😏
Jetzt war es schon Mitte Mai und wir mussten noch durch halb Kasachstan, weiter nach Barnaul in Russland um dort in der Autowerkstatt neue Reifen zu bekommen, und wollten doch Anfang Juni in der Mongolei sein. Das bedeutete, dass wir uns ein bisschen beeilen und ein paar Fahrtage einlegen mussten. Was wir zu dem Zeitpunkt aber leider noch nicht wussten, war, dass die Autobahn die direkt nach Norden führt, großteils eine Holperpiste ist und einem so ein Fahrtag einige Kraft abverlangt und gar nicht so flott vorankommen lässt…
Und dann, es war nur wenige Tage später; an einem der bisher doch seltenen Regentage, und wir hatten gerade beschlossen ohne weitere Abzweigungen direkt nach Semej und weiter auf dem schnellsten Weg nach Barnaul zu fahren. Da streikte seit langem wieder einmal der LKW. Mit der Lichtmaschine war etwas nicht in Ordnung; jedenfalls lud sie unsere Batterien nicht mehr. Und dem nicht genug, das alte Problem mit der Dieselpumpe ging auch wieder los.
Dreimal stand Wolfi wieder bei Wind und Wetter draußen am Schrauben, bis wenigstens der Diesel wieder floss und wir weiterfahren konnten. Wir blieben dann auch nicht mehr stehen, als Mittagessen musste eine Tüte Chips herhalten und nachdem die Straße für die letzten 150 Kilometer ganz ordentlich in Schuss war, erreichten wir am Nachmittag Semej, wo wir auch recht schnell eine Werkstatt fanden, die das Problem mit der Lichtmaschine reparieren konnte! Nach zwei Stunden Werkstattaufenthalt fuhren wir bereits um fast 19 Uhr noch zu einem Supermarkt, der ein tolles, großes Warenangebot hatte, kauften ein paar leckere Dinge und genossen dann unsere erste richtige Mahlzeit des aufregenden Tages sehr!
Am nächsten Tag bereits überquerten wir (Сандра, Эрик & Вольфганг) die Grenze nach Russland und fuhren tags darauf bis Barnaul. Dort trafen wir Johannes, Theres und ihren 15 Monate alten Sohn Mattis aus Deutschland wieder und verbrachten ein paar feine Stunden miteinander. Johannes hatten wir kurz nach unserer Einreise in Kasachstan schon kennengelernt. Wir waren uns symphatisch, wir haben derzeit in etwa das gleiche Reiseziel und tauschten Nummern aus, damit sich unsere Wege vielleicht absichtlich nochmal kreuzen könnten. In Barnaul war dies dann schon schneller als gedacht der Fall und womöglich nicht das letzte Mal…
Leider war das Problem mit unserer Lichtmaschine doch noch nicht vollständig gelöst. Die Batterien im Container wurden während der Fahrt nicht mehr mitgeladen. Unser Werkstattaufenhalt sollte sich also über das Reifenwechseln hinaus noch verlängern…
So waren wir freitags zuerst vier Stunden beim Reifenwechseln, standen anschließend bis 22 Uhr (die arbeiten hier wirklich so lange 😳) in der Werkstatt und übernachteten dann wieder einmal im Hof. Am Samstag mussten wir auf ein Ersatzteil warten und vertrieben uns die Zeit äußerst erfolgreich in einem Einkaufszentrum mit Waschsalon. Während wir also einkauften, ließen wir einen Großteil unserer Wäsche inklusive dem ganzen Bettzeug einmal durchwaschen. Sehr praktisch! 👍🏼 Am Ende dieses Shopping-Tages durfte sich Erik dann noch auf einem stark bevölkerten Spielplatz mitten in der Stadt etwas austoben, ehe wir zur Werkstatt zurückkehrten und auch diese Nacht in deren Hof verbrachten. Am Sonntag nämlich wurden weitere Reparaturen durchgeführt. Da dies wiederum den ganzen Tag in Anspruch nahm, durften wir nochmal im Hof übernachten und fuhren dann am nächsten Morgen weiter Richtung Mongolei, nachdem wir dem tollen Einkaufszentrum einen neuerlichen Besuch abgestattet hatten. 😃
Abschließend müssen wir noch ein riiieesiges DANKE loswerden, denn unser Werkstattaufenthalt war ausgezeichnet organisiert. Obwohl wir Alexander nie persönlich kennengelernt, sondern immer nur online kommuniziert hatten, hat er uns seit unserer Korrespondenz, beginnend im Februar, nicht nur neue Reifen und deren Montage organisiert, sondern ein rundum Paket. Auch diverse Ersatzteile, die Wolfi nach und nach aufgelistet hatte, konnte er besorgen und als das Problem mit der Lichtmaschine auftauchte, hat er auch deren Reparatur sofort organisiert. In der riesigen MAN Werkstatt, wurden wir bereits von Anton erwartet, freundlich aufgenommen und bestens bedient. Und Alexander, der persönlich in Moskau weilt, erkundigte sich täglich per Telefon, ob denn auch alles passt. Das war weit mehr, als wir erwarten konnten und wir wissen es zu schätzen, dass dies nicht alltäglich und selbstverständlich ist!
Dass wir auf unserer Reise immer wieder solchen Menschen begegnen, macht uns sehr dankbar! 😌